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ISBN 00 – Willi Nowaks Knastnotizen – Vorwort

Willi Nowaks Knastnotizen, geschrieben von Ende 1961 bis zum April 1962, ist ein besonderes Zeitdokument.
Verhaftung, erkennungsdienstliche Maßnahmen, Einkerkerung in die Bochumer „Krümmede“ und Verlegung in die Untersuchungsstrafanstalt Essen. Warum trifft all dies den Bochumer Kommunisten?
Das Herstellen einer Betriebszeitung, das Verbreiten von Informationsschriften zu Streiks von Bergarbeitern und eine Fahrt in die DDR werden ihm vorgeworfen.
Insgesamt wird Willi Nowak zu 28 Monaten Gefängnis verurteilt.
Aus heutiger Sicht sind die damaligen Verhältnisse kaum zu verstehen.

In der Nachkriegszeit ist Deutschland von vier Siegermächten regiert und verwaltet worden. Oftmals wird so getan, als ob dies nur die Sowjetunion in der SBZ tat.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Um eine Revision des „Potsdamer Abkommens“ zu erreichen griffen die Westmächte direkt mit Verboten und politischen Druck in „ihre“ Besatzungszonen ein. Beispielsweise wurde die Sozialisierung der Grundstoffindustrie, wie sie in Hessen und Nordrhein-Westfalen mit großen Mehrheiten gefordert wurden, verboten. Verboten wurden auch Einheitsbestrebungen der Arbeiterparteien SPD und KPD, wie sie vor allem auch im Ruhrgebiet sichtbar geworden waren.
Statt dessen sollten wieder deutsche Soldaten zusammen mit Besatzungsmilitär in den „Kalten Krieg“ ziehen. In Adenauer fanden die Westmächte hierfür einen willkürlichen politischen Partner.

Gerade vier Jahre aus den Zuchthäusern und Konzentrationslagern befreit, mußten schon wieder Kommunisten und Kommunistinnen in Gefängnisse, zuerst in die der Besatzungsmächte, dann in die der Adenauerjustiz.
Als Adenauer 1951 aus dem öffentlichen Dienst alle aktiven Mitglieder der KPD entfernte, stützte er diesen sogenannten „Adenauer-Erlaß“ nicht nur auf gleichartige Verfahrensweisen aus der Zeit des Hitler-Faschismus, sondern auch auf die der britischen Besatzungsmacht, die 1947 die „englischen Staatsstellen“ von Kommunisten und Kommunistinnen säuberte. In den USA gab es parallel dazu die von Mc Carthys inszenierte „Untersuchung von Regierungsstellen“ nach Kommunisten und Kommunistinnen.

Mit der Zuspitzung des „Kalten Krieges“ (Korea-Krieg u.a.) arteten diese Maßnahmen immer mehr zur regelrechten Jagd auf Kommunisten und Kommunistinnen oder die, die man dafür hielt, aus.
Es traf Menschen wie Willi Nowak schwer, daß man ihnen absprach, sich für die eigenen Interessen einzusetzen und statt dessen als „fünfte Kolonne Moskaus“ tätig zu sein.
Gerade aus dem Krieg zurückgekehrt, den Bruder verloren, Bochum in Schutt und Asche, war es da nicht logisch gegen die Wiederbewaffnung zu sein. Die Arbeiter und Arbeiterinnen hatten die Betriebe nach 1945 wieder instandgesetzt und die Demontage verhindert. Warum sollten diese Betriebe nicht in Gemeineigentum überführt werden? Waren es nicht Krupp, Thyssen, Borbet und Vögler die Hitler zur Macht verhalfen?

Willi Nowaks Knastnotizen handeln von all diesen Dingen. Von den Hoffnungen und Wünschen der Kommunisten und Kommunistinnen jener Nachkriegszeit. Sie handeln auch von Irrtümern und Fehlern, vom Stalinismus. Und sie handeln von der großen Zuversicht das es gelingt den Frieden zu erhalten und der Arbeiterklasse soziale und politische Rechte zu sichern.

Mit Willi Nowak wurden insgesamt etwa 500.000 Menschen Opfer von Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Untersuchungshaft und Gefängnisstrafen. Allein in Bochum und Wattenscheid sind es etwa 200 Bürger und Bürgerinnen, die mit der Adenauer-Polizei und -Justiz Bekanntschaft machten. Ruhrgebietsweit waren es ca. 30.000 Menschen.
Viele von ihnen waren geehrte Widerstandskämpfer und -kämpferinnen gegen den Hitler-Faschismus, hatten nach 1945 angepackt und den „Karren aus dem Dreck gezogen.“
Deshalb soll auch der Kampf der Opfer des „Kalten Krieges“ nach Rehabilitierung und Wiedergutmachung unterstützt werden. In dem neuen größeren Deutschland kann es nicht Opfer zweierlei Rechtes geben. Wenngleich eine große Skepsis angebracht ist, das den Opfern des „Kalten Krieges“ im Westen von Deutschland Gerechtigkeit widerfährt.

Das Buch will auch zumindest andeuten, das von den Kommunisten und Kommunistinnen dieses Landes eine Vielzahl von Anregungen in die Politik und Gesellschaft eingeflossen sind. Vieles hat zu Diskussionen und Auseinandersetzungen geführt. Es ist zu hoffen, daß dies auch zukünftig geschieht.

Dank ist zu sagen an all jene, die mitgeholfen haben, das Buch zu realisieren. Besonderer Dank an Hannelore Nowak für ihr Drängen und die Bereitstellung der Notizen und vieler Dokumente und Unterlagen. Dank an Karl Stiffel, dem Stadtarchiv Bochum, Hermann Sittner und vielen anderen.

Die Beurteilung, ob das in diesem Buch behandelte Thema zeitgemäß ist oder nicht, möchte ich gerne dem Leser, der Leserin überlassen.

Bochum, im Juni 1996 Günter Gleising