„Die persönliche Ausstrahlung des hageren Mannes mit dem zerfurchten, von Schmerzen gezeichneten Gesicht muss außergewöhnlich gewesen sein“, so umschrieb der WDR 1997 in seiner Zeitzeichen-Sendung den kommunistischen Politiker Heinz Renner.(1) Auch Größen der bundesdeutschen Geschichte würdigten Renner. Der Nestor der bundesdeutschen Geschichtsschreibung, Theodor Eschenburg, schrieb in seiner ‚Geschichte der Bundesrepublik Deutschland’: „Die Kommunisten Max Reimann und Heinz Renner sorgten im Plenum für Aufregung und gelegentlichen parlamentarischen Tumult, Renner aber auch oft für Heiterkeit, denn Adenauer hatte häufig Gelegenheit, mit ihm voller Witz und Ironie die Klinge zu kreuzen.“(2)
Konrad Adenauer konnte dem Kommunisten Heinz Renner, selbst in der Zeit des schlimmsten Antikommunismus und Kalten Krieges, die Achtung nicht verweigern. Zu seinem Tod schrieb er: „Meine Begegnungen mit dem Menschen Heinz Renner habe ich nicht vergessen.“(3)
In der Tat: Er war ein außergewöhnlicher Zeitgenosse. Die Jugend wegen einer Dummheit verpfuscht, aus dem Ersten Weltkrieg mit einer bleibenden Kriegsbeschädigung zurückgekehrt, entwickelt er fortan eine unglaubliche Energie und Einsatzbereitschaft für die Interessen der Menschen, die ihm nah sind. Faschismus und die beiden Weltkriege prägen ihn, machen aus ihm einen leidenschaftlichen Verfechter des Völkerfriedens, der deutschen Einheit. Als Oberbürgermeister von Essen unmittelbar nach dem Krieg erwirbt er den Ruf eines tatkräftigen Pragmatikers, der anpackt die Nachkriegsnot zu lindern. Minister in der Landesregierung von NRW, Mitglied des Parlamentarischen Rats und Bundestagsabgeordneter sind seine Stationen nach 1945.
Doch die Entwicklung vollzog sich nicht in Renners Sinn. Kalter Krieg, die Spaltung Deutschlands und KPD-Verbot haben Untersuchungshaft und Emigration in die DDR zur Folge. Es ist gut, dass auch in der deutschen Geschichtsschreibung diese Zeit zunehmend kritisch gesehen wird. Dem Menschen, Politiker und Kommunisten Heinz Renner werden klischeehafte Einordnungen nicht gerecht.
Man konnte Renner überstimmen, ihn sogar aus dem Essener Stadtparlament wie 1926 oder aus dem Bundestag wie 1952 verbannen. Indes mundtot machen konnte man ihn nicht. In der Gesetzgebung der Bundesrepublik – genannt seien Fragen der grundsätzlichen Friedens- und Gesellschaftsordnung ebenso wie die Sicherung der kommunalen Finanzen, des Asylrechts oder der Stabilität der Renten – hat Renner, gestützt auf seine Partei, Spuren hinterlassen, die bis zum heutigen Zeitpunkt sichtbar sind.
Bisher ist keine umfassende Beschreibung seines Lebenswerks verfasst worden. Seine Wahlheimatstadt Essen, der er nach dem Krieg als Oberbürgermeister vorstand und in deren Stadtrat er viele Jahre vertreten war, schwieg ihn jahrelang tot. Erst in letzter Zeit findet er in Publikationen der Stadt Essen Erwähnung, eine Straße trägt jedoch bis heute nicht den Namen von Heinz Renner. Auch in den zeitgeschichtlichen Abhandlungen aus dem kommunistischen Umfeld, dem Renner bis zu seinem Tod aufs engste verbunden war, findet sein Name nur sporadische Erwähnung. Fast zehn Jahre dauerten daher die Recherchen zu diesem Buch. Es wird trotzdem Unzulänglichkeiten enthalten, aber man kann sich nur an „den Renner“ heranarbeiten.
Dank ist vielen zu sagen: An erster Stelle Fritz Rische für seine Beiträge, für Fotos und Dokumente. Das Stadtarchiv Essen und das Ruhrland-Museum Essen, das Bundesarchiv in Koblenz, das Archiv der DKP-Bochum und das Antifa-Archiv Hermann W. Morweiser, der auswärtige Leihverkehr der Stadtbücherei Bochum und viele andere Institutionen halfen mit Rat, Tat, Fotos, Dokumenten und Hinweisen. Danken möchte ich auch Ilse Müller und Manfred Kaufmann (Lückenburg), Hildegard Born (Essen), Prof. Dr. Erhard Lange (Koblenz), Dr. Ernst Schmidt (Essen), Franz Heiserholt (Witten), Dieter Lohaus (Düsseldorf) und vielen anderen.
In einer Zeit, in der aalglatte, karrierebewusste und ständig lächelnde Politikertypen die Szene beherrschen, zerfurchte Gesichter hingegen, unbequeme Menschen, die andere verteidigen und nicht auf den eigenen Vorteil bedacht sind, altmodisch erscheinen, kann eine Biographie wie die über Heinz Renner Akzente setzen, gerade auch deshalb, weil sein Leben nicht gradlinig verlief, sondern auch persönliche Irrtümer, Niederlagen und Schwankungen aufweist.
Vielleicht trägt diese Biographie auch dazu bei, das in der Öffentlichkeit produzierte Bild, wonach Kommunisten die Geschichte dieses Landes nur negativ beeinflusst haben, zu korrigieren.
Günter Gleising
im Februar 2000
(1) Faerber-Husemann, Renate: Geburtstag des Politikers Heinz Renner (6.1.1882), Sendemanuskript der ZeitZeichen-Sendung WDR-Hörfunk am 6.1.1997, S. 2.
(2) Eschenburg, Theodor: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I: Jahre der Besatzung: 1945-1949, Stuttgart/Wiesbaden 1983, S. 489f.
(3) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Kreisorganisation Essen: Heinz Renner – Das Leben eines unvergessenen Menschen, Essen 1965, S. 43.