Auch nach über 90 Jahren rufen die Ereignisse vom Aufstand der Arbeiter gegen den militaristischen Kapp-Lüttwitz-Putsch und der Märzrevolution im Jahr 1920, wie sie Karl Grünberg in seinem Roman "Brennende Ruhr" schildert, zum Teil heftige und kontroverse Reaktionen und Diskussionen hervor.
Ein besonderes Beispiel hierfür liefert ein Kunstprojekt im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010. Verwundert betrachten die in Dortmund auf dem Westfalendamm im Stau stehenden Autofahrer die politischen Statements in Form von Plakattafeln am Straßenrand oder auf vorbeifahrenden roten Straßenbahnen. In Essen wehen zahlreiche rote Fahnen auf der Balustrade des imposanten Wasserturms an der Steeler Straße.

Die “Straße als politische Bühne”: Der Wasserturm an der Steeler Straße als Teil des Projektes
“B 1 / A 40 – Die Schönheit der großen Straße” im Juni/Juli 2010
Die "Straße als politische Bühne": Diese beiden Kunstaktionen sollen an die Kämpfe der Arbeiter und der Roten Armee im Ruhrgebiet im Frühjahr 1920 erinnern. Im Projekt "Bundesstraße 1 / A 40 – Die Schönheit der großen Straße" sollen diese beiden von insgesamt 18 Kunstwerken auch "die andere Geschichte der Arbeiter im Ruhrgebiet" zeigen. Mit großem Erfolg: Die Parolen und roten Fahnen provozieren, fördern Meinungsstreit und regen an, sich mit der Geschichte zu beschäftigen.
Aus Anlass des 90. Jahrestages fanden im März 2010 eine Vielzahl von Gedenkveranstaltungen, Musikkonzerten, Diskussionsrunden und Kranzniederlegungen statt. Ihnen allen war eins gemeinsam: Das Interesse an den Ereignissen ist nicht geringer, sondern größer geworden. Dies ist umso erstaunlicher, weil im Geschichtsunterricht der Schulen und in der "offiziellen" Geschichtsschreibung dieses Thema fast nicht mehr vorkommt.
Es ist ein Verdienst von örtlichen Initiativen, engagierten Historikern / Historikerinnen, einzelnen Kommunalpolitikern / Kommunalpolitikerinnen und politisch Aktiven, dass der Versuch scheitert, diesen Teil der Geschichte zu entsorgen. Auch Karl Grünberg, obwohl schon 1972 verstorben, ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Sein Roman "Brennende Ruhr" schildert die damalige Zeit, das Leben und Kämpfen in der Zeit des Kapp-Putsches und der Märzrevolution so plastisch und eindrucksvoll, dass den Leser*innen ein Eintauchen in die damalige Zeit ermöglicht wird.
"Brennende Ruhr" macht ein Stück Geschichte des Ruhrgebietes anschaulich. Das Buch gehört zu dem Selbstverständnis des Ruhrgebiets, von dem neuerdings so häufig geredet wird. Das Werk Grünbergs ist Zeitdokument und literarisches Werk zugleich. Zeitdokument deshalb, weil der Roman noch in der Zeit der direkten Auseinandersetzung und Bewertung der Geschehnisse von 1920 geschrieben wurde. Nach dem reaktionären Putsch standen im Ruhrgebiet hunderttausende Arbeiter auf, um die Republik zu verteidigen. Einmal aktiv geworden, wollten sie aber mehr als nur das Erreichte verteidigen. Daraus wurde der größte bewaffnete Arbeiteraufstand in der Geschichte Deutschlands. Tragisch ist das Ende, als mit dem Segen der Reichsregierung ausgerechnet jene Kräfte, die zuvor noch geputscht hatten, die Arbeiter grausam bestraften und ihre Emanzipationsversuche zerschlugen.
Literarisch, weil Grünberg die Form des Romans als Möglichkeit begriffen hat den Leser, die Leserin direkt anzusprechen, Verstand und Gefühle gleichermaßen zu berühren. Er schreibt in einer Sprache, die aus dem Arbeitermilieu stammt und dennoch abseits von jeglicher Trivialität ist. Grünberg schuf ein lebendiges, mitreißendes Bild der Kämpfe, die 1920 die Ruhr brennen ließen. Seine Figuren nehmen den Leser, die Leserin mit in die Vergangenheit. Grünberg hat Literatur geschaffen, die auch nach schwerer Arbeit gelesen werden konnte. Der Roman ist ein wichtiges Werk der Arbeiterliteratur der Weimarer Republik und ein gutes Stück der Kultur der Arbeiterbewegung.
Der Kommunist Grünberg versuchte nicht seine Wahrheit dem Leser, der Leserin aufzudrängen, bis zum Schluss bleibt der Held des Romans, Sukrow, voller Zweifel, welchen Weg er gehen soll. Gerade deshalb wirkt er, der sich mit Begeisterung mitreißen lässt, aber sich dann doch wieder zurückzieht, wie eine lebendige Persönlichkeit.
Dieses Buch soll helfen, die Geschichte wach zu halten und daran erinnern, dass die Gefallenen und Ermordeten im Eintreten für die Verteidigung der Republik und Demokratie, viele auch im Kampf für den Sozialismus, starben.
Unsere Neuauflage folgt der Werkausgabe des Verlags Tribüne (DDR) von 1975. Die Rechtschreibung wurde teilweise angepasst. Zum besseren Verständnis der Hintergründe und Motive Grünbergs, diesen Roman zu schreiben und ihn so zu schreiben wie er vorliegt, haben wir sein Nachwort aus dem Jahr 1947 aufgenommen. Besonders erfreut sind wir, das, Hella Schermer-Grünberg, die Tochter des Arbeiterschriftstellers, für unsere zweite Auflage ein Geleitwort geschrieben hat. In den Zeilen wird plastisch dargestellt, unter welch schweren Bedingungen Grünberg den Roman geschrieben hat, sie lassen erahnen, welchen Beitrag seine Frau und die ganze Familie geleistet haben, damit das Werk überhaupt geschrieben werden konnte.
Das Glossar und die Zeitleiste wurden aktuellen Erkenntnissen angepasst und ergänzt. Wer sich nach der Romanlektüre weiter mit dem Thema beschäftigen will, dem sei die Schriftenreihe des RuhrEcho Verlages unter dem Titel "Kapp-Putsch und Märzrevolution 1920" empfohlen. Zum Meinungs- und Informationsaustausch, dazu sei an dieser Stelle ausdrücklich aufgerufen, steht unsere Webseite www.ruhrecho.de zur Verfügung.
Bochum im Juli 2010 Anke Pfromm/Günter Gleising