In diesem Buch geht es um eine Frau, Mutter, Kommunistin, Widerstandskämpferin, Frauenrechtlerin und Kriegsgegnerin. Deren Geschichte und Alltag zeichnet die Autorin nach anhand des Briefwechsels von Klara Matthies mit ihrem Verlobten Karl Schabrod während der Zeit seiner Inhaftierung 1934–1945.
Es geht um eine Liebesgeschichte und um den ungewöhnlichen Alltag einer „alltäglichen” Frau – einer „Heldin” des Alltags.
Darüber hinaus geht es um ein Stück Düsseldorfer Leben während „der schwärzesten Zeit deutscher Geschichte” (Klara Schabrod) und um die Frage, wie es ein Mensch schafft, trotz Folter, Trennung, Ängsten und Not, sich nicht aufzugeben, Beziehungen aufrechtzuerhalten und den aufrechten Gang zu bewahren.
Hier stehen also Frauenwiderstand im Alltag und Geschlechterbeziehungen im Widerstand im Mittelpunkt – etwas, was noch immer und trotz der Verdienste der Frauenforschung zu wenig thematisiert wird. Frauen sind heute zwar nicht mehr die Vergessenen der Geschichte, ihre geschichtliche Rolle wird aber oft geringer bewertet als die der Männer, denn der Widerstand wurde bisher meist unter dem militärisch-bewaffneten Aspekt betrachtet – die Mehrheit der Widerstandskämpferinnen gehörte aber dem zivilen Widerstand an. Nicht berücksichtigt wurde zudem, dass der Männerwiderstand ohne den Rückhalt in der Familie, ohne die Frauen, nicht möglich gewesen wäre (sie sicherten u. a. das Überleben, halfen Verfolgten, knüpften die sozialen Netze weiter) – „hinter jedem Widerstandskämpfer stand eine Frau, eine Mutter, eine Schwester, eine Braut. Ohne deren Unterstützung wäre es nicht möglich gewesen, so viele Quartiere und Verstecke für Verfolgte zu erreichen” (Klara Schabrod). Ihr Widerstand fand auch deshalb kaum Beachtung, da Frauen meist „im Schatten” (Ingrid Strobl) arbeiteten, im Hintergrund und im Untergrund. Die Erinnerung an sie blieb daher im Schatten der Geschichte; nicht zuletzt, weil sie über ihren Widerstand nicht gesprochen haben, diesen als etwas Selbstverständliches sahen. Klara Schabrod ist eine dieser bescheidenen Frauen, die ihren Widerstand als etwas Selbstverständliches sieht: „Die Geschichte war so, dass Widerstand geleistet werden musste. Wir konnten gar nicht anders”.
Mit dieser Schrift leistet Mareen Heying wichtige Arbeit. Sie vereinigt historisches Wissen, antifaschistisches Bewusstsein, frauenpolitische Empathie, Einfühlungsvermögen und Engagement. Mit der Darstellung und der Analyse von Klara Schabrods Alltag trägt sie dazu bei, historische Zusammenhänge des zivilen Widerstands aufzuzeigen, die frauenpolitische Dimension und die Geschlechterbeziehungen im Nationalsozialismus deutlich zu machen und eine Widerstandskämpferin aus dem Vergessen zu holen.
Ich habe selbst das Glück gehabt, vor mehr als 35 Jahren Klara Schabrod kennenzulernen und zu interviewen. Sie konnte von den „großen Dingen” des Lebens mit einfachen Worten erzählen, von den damaligen Geschehnissen, die heute noch „unser Innerstes aufwühlen”. Und sie hatte immer ein offenes Ohr für uns Jüngere der Frauenbewegung. Sie gab uns dieses Gefühl der Solidarität und den Stolz einer Kontinuität der Frauenbewegung mit auf dem Weg. Umso mehr freut es mich, sozusagen als Zweit-Zeitzeugin, dass dieser wunderbaren Frau hiermit kompetent gewürdigt wird und dass neue Aspekte ihres Alltags analysiert werden. So wurde mir bei der Lektüre deutlich, wie schwer der Alltag gewesen sein muss und wie viel Mut und Fantasie dazu gehörten, um diesen Alltag zu bewältigen und im räumlichen Getrenntsein, unter den menschenunwürdigen Bedingungen des Faschismus, eine Liebesbeziehung zu pflegen und zu stärken.
Solcher Frauen wie Klara Schabrod muss man gedenken. Weil sie unangepasst waren. Weil sie ihr Leben riskierten. Weil sie sich für eine friedliche Zukunft einsetzten. Weil sie ein anderes Deutschlandbild vermitteln. Weil sie ein anderes Frauenbild als das der gefügigen Hausfrau prägten: das der Freiheitskämpferin.
Nicht nur wegen der Vergangenheit und der ungesühnten Opfer ist es wichtig, an sie zu erinnern. Auch wegen aktueller Kriegsverbrechen, der Verharmlosung des Nationalsozialismus und neonazistischer Umtriebe und weil es nach wie vor notwendig ist, sich gegen menschenunwürdige Zustände zu wehren und Nein zu sagen, für eine andere, bessere und friedvolle Welt zu streiten. Und, um mit Klara Schabrod zu sprechen, damit „wir auch mithelfen können, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern und unsere Erde bewohnbar zu erhalten.”
Florence Hervé Düsseldorf, im Februar 2014