Das vorliegende Buch beleuchtet den Kapp-Lüttwitz-Putsch von 1920, seine Auswirkungen auf Mecklenburg und Pommern sowie die Abwehr dieses militaristisch/reaktionären Angriffs auf die Errungenschaften der Novemberrevolution und die Demokratie. Das erschien mir notwendig, da dieser Teil der Geschichte zuletzt nur noch wenig Beachtung fand. Der 100. Jahrestag der Ereignisse bot zudem einen besonderen Anlass das Thema erneut zu bearbeiten.
Um die Heftigkeit und das Ausmaß des Widerstandes und der Märzkämpfe in Mecklenburg und Pommern zu verstehen und um die Frage zu klären, warum sich so viele Menschen daran beteiligten, war ein Blick in die Geschichte der Neuzeit von Mecklenburg und Pommern notwendig. Von besonderem Interesse waren für mich dabei die Prozesse, die durch die Industrialisierung ausgelöst wurden, die Konsequenzen auf die Entwicklung der Produktivkräfte und die darauf folgenden politischen und ökonomischen Auswirkungen. Dabei wird die Herausbildung der Schwerpunkte der Industrialisierung in Mecklenburg ebenso beleuchtet, wie die Leistungen der Pioniere der technischen Entwicklung, die heute oft vergessen werden. Auch die vielfach kolportierte Rückständigkeit in Mecklenburg und Pommern wird kritisch hinterfragt.
Mit der Industrialisierung entstanden sowohl in den Städten, als auch auf dem Land, die proletarischen Kräfte, die auf Emanzipation zur Bourgeoisie, zur Veränderung der politischen aber vor allem der Macht- und Besitzverhältnisse drängten. Und es galt den Weg zu verfolgen, den die Menschen, vor allem die Arbeiterinnen und Arbeiter auf dem Land zurücklegen mussten, bis sie zu einer organisierten Kraft und selbsthandelnden Macht wurden.
Die Aktionen und Kämpfe zur Abwehr des Putsches waren auch deshalb in Mecklenburg und Pommern so heftig, weil hier schon zuvor große politische und wirtschaftliche Kämpfe stattgefunden hatten. Diese hatten nicht nur die großen Werften und Industriebetriebe erreicht, sondern in besonderer Weise auch die Arbeiter auf dem Land. Im Zuge der größten Landarbeiterstreiks (1919, Anfang 1920), die Mecklenburg und Pommern bis dahin gesehen hatte, war der Landarbeiterverband zu einer großen und einflussreichen Gewerkschaft auf dem Land geworden. Das schuf gute Voraussetzungen für den Kampf gegen die Kräfte, die in Mecklenburg und Pommern den Kapp-Lüttwitz-Putsch unterstützten. Vor allem wurde schnell erkannt, dass sich der Putsch nicht nur gegen die Republik, ihre Institutionen und ihre tragenden Kräfte wandte, sondern in besonderer Weise einen direkten Angriff auf die Arbeiterbewegung darstellte.
Beschrieben werden in diesem Buch die Ereignisse im Freistaat Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und der zu Preußen gehörenden Provinz Pommern. Auch das damalige Ostpreußen wird gestreift. Zur besseren Orientierung werden die lokalen und regionalen Ereignisse nach den heutigen staatlichen Strukturen sortiert und dargestellt. Aber auch auf die sozial- und kulturhistorischen Aspekte wird eingegangen. So spielt der Totenkult um die Märzgefallenen, die Schaffung von Denkmälern und das nachhaltige Gedenken an die Ereignisse und die Opfer der Arbeiterbewegung eine große Rolle. Dabei wird auch an den Umgang in der DDR mit dem Thema eingegangen und Unterschiede zur BRD gestreift.
Die Monate März und April 1920 brachten so viele Menschen auf die Straßen, in die Versammlungen und in die Aktionsausschüsse wie selten zuvor. Der reaktionäre Kapp-Lüttwitz-Putsch wurde auch aus diesem Grund vereitelt, die Republik gerettet. Die Belastungen, die sich aus dem anschließenden Umgang mit den Kräften die den Putsch betrieben oder unterstützten, waren jedoch groß. Die Republik erwies sich als nicht wehrhaft genug um diese Kräfte auszuschalten und um politische und vor allem soziale Strukturen zu schaffen, um deren Wiederaufleben zu verhindern. In Mecklenburg und Pommern blieben die Besitzstrukturen weitgehend unangetastet. Die Junker herrschten weiter und unterdrückten die Menschen nach wie vor. In den Werften und Industriebetrieben gab es ein Heuern und Feuern, je nach Konjunktur. 1920 haben die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten die Kraft gezeigt, die 1933 nicht mehr erreicht werden konnte, um den erneuten Angriff auf die Republik in Form des Faschismus zu verhindern. Auch das ist ein Grund sich mit den Ereignissen und Kämpfen von 1920 zu beschäftigen und Lehren für unsere heutige Zeit zu ziehen, denn frei nach Brecht: Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem dies Böse kroch.
Um all dies zu erfassen waren zahlreiche Entdeckungsreisen nach Mecklenburg und Vorpommern notwendig. Zunächst hatte ich im Ruhrgebiet das Thema Kapp-Lüttwitz-Putsch für mich entdeckt und publizistisch bearbeitet. Da ich zu Mecklenburg eine besondere Beziehung hatte und bis heute habe, wuchs in mir auch der Wunsch, das Thema für Mecklenburg und Pommern zu bearbeiten. Das Ergebnis liegt nunmehr vor.
Zuletzt gilt es Dank zu sagen den Vielen, die einen Beitrag am Zustandekommen dieser Arbeit geleistet haben. Die zahlreichen Menschen, die bei der Beschaffung von Informationen geholfen haben, oder mit Hinweisen und Diskussionen mich ermunterten das Buch fertig zu schreiben. Besonderer Dank gebührt den Beschäftigten in den Stadtarchiven, die viele Informationen, Fotos und Dokumente zur Verfügung stellten und ein großes Interesse an dem Projekt zeigten. Gleiches gilt für die Universitätsbibliothek Rostock deren Zeitungssammlung unverzichtbar gewesen ist. Eine große Informationsquelle war auch die Stadtbibliothek Bochum, die mir zahlreiche Bücher, Broschüren und Kopien von Aufsätzen über den auswertigen Leihverkehr besorgte. Dank und eine stille Erinnerung gilt auch der Lektorin Arntrud Reuter, die vor wenigen Tagen verstarb. Ein besonderer Dank gilt Anke Pfromm, ohne deren Mitarbeit und technische Umsetzung an ein Erscheinen dieses Buches nicht zu denken wäre. Zu danken ist auch der Rosa Luxemburg Stiftung Mecklenburg-Vorpommern für die Unterstützung des Projektes.
Günter Gleising
im Februar 2020