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ISBN 29 – Werner Blumenthal – Vorwort

In der hier vorliegenden Autobiographie berichtet unser Friedensfreund Werner Blumenthal über sein bewegtes Leben im 20. Jahrhundert. Sein Leben spiegelt die großen und kleinen Ereignisse dieser Zeit wieder.

Werner Blumenthal kam 1923 in Bochum zur Welt. Sein Vater Gustav und dessen Bruder leiteten das Warenhaus ‘Heymann und Co.’, später ein eigenes Kurzwarengeschäft. In der Pogromnacht am 9. November schlug die SA die Wohnung der Familie in einen Trümmerhaufen, der Vater wurde im KZ Sachsenhausen eingesperrt.

Zu dieser Zeit studierte Werner an einer jüdischen Handwerksschule in Berlin, nachdem er als Jude das öffentliche Gymnasium verlassen musste. Die besorgte Mutter bewarb sich um einen Platz für ihn auf dem allerersten Kindertransport, der am 2. Dezember 1938 in England ankam. Die Schwester Lore kam später mit einem Kindertransport nach Holland und konnte 1941 mit den Eltern nach New York fliehen.

Der fünfzehnjährige Werner wohnte mit anderen Jugendlichen in Heimen an der englischen Südküste bis er 1940 in England und danach in Kanada in einem Lager interniert wurde. Bei Temperaturen bis zu Minus 50 Grad fällte er Holz, er knüpfte auch Tarnnetze für die Armee. Im regen Austausch mit politisch engagierten Menschen entwickelte sich dort seine antifaschistische Überzeugung.

Nach seiner Entlassung ging Werner 1942 nach London, wo er sich der Gemeinschaft der Freien Deutschen Jugend anschloss. Er arbeitete als Dreher und Werkzeugmacher und leistete Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr.

Nach dem Krieg besuchte er seine Familie in New York. Gegen ihren Wunsch entschied er sich, nach Deutschland zurückzukehren, um für Frieden und Freiheit zu kämpfen. Im Ruhrgebiet arbeitete er als Journalist für Zeitschriften, welche der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) nahestanden und deren Mitglied er war. Er heiratete Hanne, eine aktive Parteigenossin. Die beiden ließen sich in Herne nieder und hatten fünf Kinder.

Das Paar war aktiv in der Friedens- und Anti-Atombewegung. Sein politisches Engagement (die KPD wurde 1956 verboten) brachte Werner während des Kalten Krieges in Berührung mit der Justiz. 1959/1960 protokollierten seine Frau und er den Prozess gegen das West­deutsche Friedenskomitee in Düsseldorf. Beide arbeiteten inten­siv mit den Rechtsanwälten Posser, Ammann, Kaul und Hannover zusammen.

Von 1962 bis zu seiner Pensionierung 1985 arbeitete er bei der Drucke­rei Girardet in Essen, wo er sich als Betriebsrat und Gewerkschafter für die Interessen der Angestellten einsetzte. Besonders setzte er sich für die Durchsetzung der 35-Stundenwoche in den 80er Jahren ein.

Zeitlebens engagierte er sich in der Ostermarsch- und Friedensbewegung.

Ich persönlich lernte Werner im Rahmen der wiedererstarkten Friedens­bewegung gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von 1999 der NATO gegen Jugoslawien intensiver kennen und wertschätzen. Ich erlebte ihn als väterlichen Freund, auf den wir uns immer verlassen konnten, wenn er bestimmte Aufgaben übernommen hatte. Ich glaube sagen zu können, dass wir beide lernten, das politisch Trennende hintenanzustellen, um die Gemeinsamkeiten der Aktivitäten für den Frieden zu betonen. Werners Tod bedeutete einen schmerzhaften Verlust für die Ostermarschbewegung im Ruhrgebiet, die er immer nach Kräften unterstützt und gefördert hat.

Werners eigene Vorbemerkung zu seiner Autobiographie endet mit seiner Aussage: „Wenn es Euch beruhigt: Ich habe nichts zu bereuen.” Werner blieb bis zu seinem Lebensende seiner antifaschistischen Über­zeugung treu, einer Überzeugung, die er seit seiner Internierung 1940 im Kanadischen Wald im Austausch mit Persönlichkeiten der Zeitgeschichte entwickelt hatte.

Man kann nur wünschen, dass viele Menschen wie Werner zum Lebensende sagen können: Ich habe nichts zu bereuen.

Norbert Kozicki
Mai 2022